Heute hatte ich
das zweifelhafte Vergnügen, Zeuge zu werden wie „Gutes tun“ genau nicht aussehen
sollte. In mittlerweile 5 ½ Jahren Non-Profit-Arbeit und (würde ich zumindest
behaupten) 38 Jahren halbewgs gesunden Menschenverstandes ist mir so ein
bizarrer Moment noch nie untergekommen.
Ich war mit einer
Kollegin und unserem Fotografen in Anibong, einem Viertel direkt am Meer, das
von der Flutwelle geradezu vernichtet wurde. Mitten in den Trümmern und den langsam
entstehenden provisorischen Behausungen hat UNICEF ein sogenanntes „Baby Tent“
eingerichtet, in dem Mütter stillen können und psychosoziale Betreuung
erhalten. Viele Mütter haben, das habe ich heute gelernt, offensichtlich
aufgrund des Erlebten und des erlittenen Traumas die Bindung zu ihren Babys
verloren, die jetzt unter professioneller Hilfe wieder aufgebaut wird. Eine
unglaublich ruhige und emotionale Stimmung herrscht in dem Zelt, als ich mal
kurz hineinlugen darf. Zu sehr wollen wir nicht stören.
Und dann taucht
plötzlich aus dem Nichts eine Truppe von zwei Ausländerkids und drei
Philippinos auf und halten die komplett zerstörte Stadt offensichtlich für
Disneyland. Sie verteilen sinnfreie Plastikspielzeugpropeller an die Kinder,
die vor dem Zelt auf ihre Mütter warten. Die Kinder reissen die Plastiktüten
natürlich begeistert auf und schmeissen die Verpackung auf den Boden. Die
Truppe heizt die Kinder an, filmt was das Zeug hält, jetzt noch eine Polonaise
und jetzt bitte nochmal alle jubeln. Alle haben grosse Schilder um den Hals mit
ihrem Namen und finden das hier offensichtlich ziemlich lustig, sozusagen ein
Abenteuerspielplatz für Mittzwanziger.
Nach ein paar
Minuten bittet die Kollegin aus dem Baby Tent um ein bisschen Ruhe, um die
Mütter und Babys in Ruhe miteinander ihre Aktivitäten ausüben zu lassen.
Nochmal ein bisschen gefilmt, und als ich nachfrage ob sie wenigstens ihren
Müll wieder mitnehmen wollen, bitten sie die Kinder wieder die Plastikverpackungen
aufzuheben. Nach keinen zehn Minuten ist der Spuk vorbei.
Was bleibt? Jedes
Kind hat jetzt einen sinnfreien Plastikpropeller, der so etwa drei Cent kosten
dürfte, soviel zum Thema „Sharing & Friendship“, was auf ihren T-Shirts
steht. Wenn sie das noch ein paar mal machen, hat Tacloban tausend neue Plastiktüten
die irgendwo rumfliegen. Aber eine Handvoll Spasstouristen hat eine Videokamera
voll johlender Kinder, die sie dann wenn sie wahrscheilich übermorgen wieder daheim
sind, stolz wie Trophäen präsentieren werden. Ganz grosses Kino, und genau das,
was die Kinder hier brauchen. Fünf Minuten Alarm, ein bisschen Plastikmüll verteilen,
und dann wieder abhauen.
True Manila steht
auf den T-Shirts, das ist laut Internet eine Tourfirma, die authentische Ausflüge
für Backpacker anbietet, die halt mal Einblicke ins echte Leben einer
philippinischen Familie bekommen wollen. Und wenn einer von Euch irgendjemand
kennt, der mit dieser Spasstruppe zu tun hat, möchte ich Euch doch herzlich
bitten, mal zu fragen, ob sie eigentlich noch alle Tassen im Schrank haben.
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