Wednesday, December 11, 2013

Freunde für fünf Minuten

Heute hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, Zeuge zu werden wie „Gutes tun“ genau nicht aussehen sollte. In mittlerweile 5 ½ Jahren Non-Profit-Arbeit und (würde ich zumindest behaupten) 38 Jahren halbewgs gesunden Menschenverstandes ist mir so ein bizarrer Moment noch nie untergekommen.

Ich war mit einer Kollegin und unserem Fotografen in Anibong, einem Viertel direkt am Meer, das von der Flutwelle geradezu vernichtet wurde. Mitten in den Trümmern und den langsam entstehenden provisorischen Behausungen hat UNICEF ein sogenanntes „Baby Tent“ eingerichtet, in dem Mütter stillen können und psychosoziale Betreuung erhalten. Viele Mütter haben, das habe ich heute gelernt, offensichtlich aufgrund des Erlebten und des erlittenen Traumas die Bindung zu ihren Babys verloren, die jetzt unter professioneller Hilfe wieder aufgebaut wird. Eine unglaublich ruhige und emotionale Stimmung herrscht in dem Zelt, als ich mal kurz hineinlugen darf. Zu sehr wollen wir nicht stören. 

Und dann taucht plötzlich aus dem Nichts eine Truppe von zwei Ausländerkids und drei Philippinos auf und halten die komplett zerstörte Stadt offensichtlich für Disneyland. Sie verteilen sinnfreie Plastikspielzeugpropeller an die Kinder, die vor dem Zelt auf ihre Mütter warten. Die Kinder reissen die Plastiktüten natürlich begeistert auf und schmeissen die Verpackung auf den Boden. Die Truppe heizt die Kinder an, filmt was das Zeug hält, jetzt noch eine Polonaise und jetzt bitte nochmal alle jubeln. Alle haben grosse Schilder um den Hals mit ihrem Namen und finden das hier offensichtlich ziemlich lustig, sozusagen ein Abenteuerspielplatz für Mittzwanziger.

Nach ein paar Minuten bittet die Kollegin aus dem Baby Tent um ein bisschen Ruhe, um die Mütter und Babys in Ruhe miteinander ihre Aktivitäten ausüben zu lassen. Nochmal ein bisschen gefilmt, und als ich nachfrage ob sie wenigstens ihren Müll wieder mitnehmen wollen, bitten sie die Kinder wieder die Plastikverpackungen aufzuheben. Nach keinen zehn Minuten ist der Spuk vorbei.

Was bleibt? Jedes Kind hat jetzt einen sinnfreien Plastikpropeller, der so etwa drei Cent kosten dürfte, soviel zum Thema „Sharing & Friendship“, was auf ihren T-Shirts steht. Wenn sie das noch ein paar mal machen, hat Tacloban tausend neue Plastiktüten die irgendwo rumfliegen. Aber eine Handvoll Spasstouristen hat eine Videokamera voll johlender Kinder, die sie dann wenn sie wahrscheilich übermorgen wieder daheim sind, stolz wie Trophäen präsentieren werden. Ganz grosses Kino, und genau das, was die Kinder hier brauchen. Fünf Minuten Alarm, ein bisschen Plastikmüll verteilen, und dann wieder abhauen. 

True Manila steht auf den T-Shirts, das ist laut Internet eine Tourfirma, die authentische Ausflüge für Backpacker anbietet, die halt mal Einblicke ins echte Leben einer philippinischen Familie bekommen wollen. Und wenn einer von Euch irgendjemand kennt, der mit dieser Spasstruppe zu tun hat, möchte ich Euch doch herzlich bitten, mal zu fragen, ob sie eigentlich noch alle Tassen im Schrank haben.

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