Tuesday, February 18, 2014

Eine Fahrt durch eine Stadt, die ich wieder aufrappelt.

In den letzten Wochen haben mich immer wieder Leute gefragt "Wie sieht es denn in Tacloban inzwischen aus?", und im Vergleich zu was ich hier Anfang Dezember gesehen habe, antworte ich eigentlich immer "Naja, jeden Tag geht's ein bisschen besser, die Stadt rappelt sich auf, jeden Tag einen kleinen Schritt vorwärts."

Ich beschloss, einfach mal in paar Filme aufzunehmen, stumpf raus aus dem Autofenster, bei meinen zahlreichen Fahrten von A nach B. Und wenn ich mir die jetzt so ankucke, ist es eigentlich unglaublich, wie krass es doch immer noch aussieht, trotz des täglichen gefühlten Fortschritts.

Ich möchte Euch deshalb gerne mitnehmen auf eine Fahrt von etwa fünf Mal zwei Minuten - dann könnt Ihr selbst mit eigenen Augen sehen, wie es denn inzwischen aussieht - und Euch überlegen, wie Ihr die Frage beantworten würdet, wie es Tacloban geht, hundert Tage nach dem Taifun.


Das hier ist der Stadtteil San Jose auf dem Weg von Flughafen in die Stadt. Als ich das erste Mal ankam, war diese Gegend einfach nur ein grosser Trümmerhaufen. Inzwischen kann man in der Tat sehen wie das eine oder andere Business wieder aufgemacht hat, und zumindest ein bisschen Normalität wieder einkehrt - naja, was man eben so Normalität nennen kann nachdem der stärkste Sturm der Welt Deine Stadt zerstört hat...
(Entschuldigung für den Soundtrack. Da hab ich wohl nicht aufs Autoradio aufgepasst)
 
 
Das hier ist immer noch ziemlich krass... der Stadtteil Magallanes, direkt am Ufer gelegen. Hier kann man wirklich die Zerstörung sehen, die Sturmflut angerichtet hat - in der Gegend stand nichts mehr - und wie die Leute Schwierigkeiten haben, ihr Leben halbwegs wieder aufzubauen, insbesondere da die Regierung eine 40-Meter "No-Build-Zone" ausgerufen hat, man also bis 40 Meter vom Ufer entfernt nicht mehr sein Haus wiederaufbauen darf...
 
 
 
Dieses Video zeigt die Gegend ein bisschen ausserhalb Taclobans, auf dem Weg nach Palo. Und man sieht die zerstörten Kokospalmen, die einmal die Lebensgrundlage der Leute hier waren...
 
 
In diesem seht Ihr den zu trauriger Berühmtheit gekommenen "Astrodome", der bis heute als Evakuierungszentrum genutzt wird.
 
 
Und schliesslich noch eine Fahrt durch die Nachbarschaft der Manlurip-Schule, in der ich Edegario aus der letzten Geschichte getroffen habe.
 

Taking you on a drive through a city picking itself up

Over the last weeks many people asked me "How does it look like in Tacloban in the meantime?" and from the perspective of what I had witnessed when I arrived in early December I usually say "It's getting a little bit better every day, the city is picking itself up step by step, every day a little bit."

I decided to take a couple of videos just filming from the car when driving through the city, and actually now looking at it a few days later, it strikes me how terrible it still looks like, despite all the perceived progress.

I therefore want to take you on five approx. 2-minute rides through different areas of Tacloban, so you can see it with your own eyes and think about how you would answer the question how Tacloban is doing 100 days after the typhoon.

This is the neighborhood of San Jose, on the way from the airport to the city. This was just a mountain of debris when I first arrived, in the meantime you can see some business activity going on and some sense of normalcy returning... well, by typhoon destruction standards.
(Sorry for the soundtrack, that's what happens when you don't pay attention to the car radio)
 
 
This one is actually still pretty terrible... the neighborhood of Magallanes, just North of the Astrodome, here you can really see the destruction that the water brought along and how people are struggling to rebuild their lives, especially since the Government has declared a no-build zone 40 meters from the water...
 
This one is a bit outside Tacloban on the way to Palo. You can see all the destroyed coconut trees that used to be the livelihood of the people here...
 
 
This one has the infamous Astrodome evacuation center in it.
 
 
And finally, along the neighborhood Manlurip School, where I met Edegario.
 
 
 

Thursday, February 6, 2014

Die Geschichte von Edegario


 
Edegario (12) zeigt mir, wo das Haus seiner Familie gestanden hat: Zwei Holzpfosten sind alles, was von ihrem Zuhause übrig geblieben ist. Jetzt wohnen sie im Haus ihres Onkels nebenan, das schwer beschädigt den Sturm und die Flut überlebt hat. Sie haben es so gut sie konnten geflickt - mit Blechen, Planen und Brettern die sie sich in den Trümmern zusammengesucht haben.
Edegario lebt in einem der Stadtteile der besonders stark vom Taifun betroffen ist. Drei Monate später bieten sich einem immer noch Bilder der Zerstörung. Zumindest sind inzwischen die meisten Trümmer geräumt. Ein Bagger arbeitet fleissig. Meterhoch waren dort die Trümmer, sagt mir Edegario. "Hier waren früher überall Bäume." Heute sehe ich nur eine Handvoll Kokospalmen zwischen all den abgeknickten oder entwurzelten Bäumen, die einmal die Lebensgrundlage der Leute waren.

Edegario geht in die 6. Klasse der Manlurip Grundschule in Tacloban. Seine Lieblingsfächer sind Englisch, Mathe und Sozialkunde. "Unser Schule war wirklich schön davor," erzählt mir Edegario. "Hier waren überall Gras und Blumen und wir spielten bis spät am Abend Volleyball oder Tumbang Preso." Tumbang Preso ist ein traditionelles philippinisches Kinderspiel, bei dem man mit seiner Sandale eine Dose treffen muss. Jetzt gehen er und die anderen Kinder direkt nach der Schule nach Hause bevore es dunkel wird, denn in der Gegend gibt es nach wie vor keinen Strom.

Er zeigt mir sein früheres Klassenzimmer: "Jetzt haben wir kein Dach mehr, die ganze Einrichtung, die Bücher, die Materialien... alles weggespült. Yolanda hat unsere Schule wirklich zerstört." Seine Klasse wird in einem weissen UNICEF-Zelt unterrichtet und hat UNICEF-Materialien bekommen wie Hefte und Stifte und andere Lernmaterialien, doch wenn die Sonne brennt, kann es heiss werden. Seit die Schule wieder geöffnet ist, wird von Montag bis Samstag unterrichtet, um den Schülern die Gelegenheit zu geben, die verpasste Zeit nachzuholen. Ein grosser See ist hinter dem Schulgelände geblieben, wo früher eine grosse Wiese war. UNICEF-Planen auf den Dächern der notdürftig reparierten Klassenzimmer flattern im Wind.

So sehr sie durch den Verlust aller Habseligkeiten geschockt sind, so sehr ist seine Familie glücklich dass sie überhaupt noch zusammen sind. Alle fünf haben überlebt: Sein Vater Edegario Sr., Mutter Mila, und die drei Jungs. Nachdem der Sturm und die Flut ir Haus komplette zerstört hatten, flüchtete die Familie an den Flughafen, wo sie drei Tage und Nächte lang Schlange stehen mussten bis sie Platz in einer koreanischen C130-Militärmaschine fanden, die sie aus dem Katastrophengebiet nach Manila evakuierte. "Drei Tage lang hatten wir nichts zu essen," erinnert er sich. Sogar nachts mussten sie in der Schlange bleiben. "Es war mein erstes Mal in einem Flugzeug. Es war so voll. Mir wurde schwindelig."

In Manila kamen sie bei Edegarios Grossmutter unter. Als die Nachbarschaft mitbekam, dass sie Taifunopfer sind, gaben sie ihnen zu essen und zu trinken, und der Pfarrer kümmerte sich um sie. Aber sein Vater und sein grosser Bruder fanden keine Arbeit und ihnen ging das letzte Geld aus. So entschieden sie, wieder zurück nach Tacloban zu gehen. "Das Sozialamt gab uns 4,500 Pesos (80 Euro) so dass wir zurückreisen konnten. Doch das reichte nicht einmal um den Bus zu bezahlen. Zum Glück liess das Busunternehmen meinen jüngsten Sohn Edmond kostenlos mitfahren," erzählt sein Vater Edegario Sr. "Jetzt will ich das Haus wieder aufbauen, aber ich habe nicht einmal Geld um Holz zu kaufen." Sogar sein Fahrradtaxi, Grundlage eines bscheidenen und hart verdienten Einkommens, ist zerstört. Die einzige Einnahmequelle ist ein kleines Reisfeld, das er bewirtschaftet.

Bis heute ist die Familie von Hilfsgütern abhängig. "Seit Yolanda habe ich kein Fleisch gegessen", sagt Edegario. "Nur Konserven und ab und zu Gemüse das meine Mutter auf dem Markt kaufen konnte." Seit dieser Woche gibt es zumindest eine Schulmahlzeit, gesponsert von einer Fastfoodkette. "Heute gab es Porridge mit Ei.

Auch drei Monate nach dem 8. November, der ihr Leben für immer verändert hat, kämpft seine Familie darum, wieder einen Fuss auf den Boden zu bekommen. Zumindest kann er jetzt wieder in die Schule, zusammen mit seinem kleinen Bruder Edmond (9) der in die 3. Klasse geht. Sein grosser Bruder Joel (21) ist Lehrer und hat auch gerade erst wieder angefangen seinem Beruf nachzugehen. Und doch, in all dem täglichen Kampf, ist es vor allem ein Wunsch, den Edegario hat: "Ich wünsche mir einfach nur, dass wir von jetzt an immer sicher sind."
 
Edegario in seinem zerstörten Klassenzimmer
 

Edegario vor dem temporären Notzelt in dem seine Klasse unterrichtet wird
 
 
 "Hier war überall Gras", erzählt Edegario. "Dann habt ihr da immer gespielt?", frage ich.
"Nein! Wegen der Schlangen!"
 
 

Edegario und seine Familie zeigen mir, wo ihr Haus stand. Der Holzpfosten neben ihnen ist alles was von ihrem Zuhause übrigblieb.
 
 
 
Edegario und seine Familie: Edmond (9), Mutter Mila und Vater Edegario Sr., vor dem notdürftig reparierten Haus ihres Onkels, in dem sie jetzt untergekommen sind.
 
 
 
 
 
 

The Story of Edegario


 
Edegario (12) shows me where his family’s house used to stand: The leftovers of two wooden poles are all that remains from their home. Now they are living in their Uncle’s house next door, whose house survived heavily damaged. The family mended it as good as they could with material they could get hold of – tarpaulin, panel sheets, leftovers from the debris.

Edegario lives in a neighbourhood heavily affected by typhoon Haiyan/Yolanda. Three months after the typhoon, the neighbourhood still shows scenes of massive devastation. At least most of the debris is cleared by now. A machine is clearing rubble where Edegario shows us the debris was meters high after the typhoon. “There were a lot of trees around here”, he says, where today you only see a handful trees standing and many uprooted or snapped.

Edegario is going to Grade 6 at Manlurip Primary School in Tacloban. His favourite subjects are English, Maths and Social Studies. “Our school was beautiful before. There were a lot of flowers and grass everywhere. We used to play here until late after school – Volleyball or Tumbang Preso.” Tumbang Preso is a traditional Filipino children’s game where you throw your sandals trying to hit a can. Now he and the other students are going home early before it gets dark, as there is still no electricity in the whole area.

He points to his former classroom: “Now we have no roof, the classroom is all washed out. Yolanda really destroyed our school.” His class is being taught in a UNICEF tent and received UNICEF learning supplies. Since the school reopened, there are classes Monday to Saturday to allow the children to catch up with the missed time. There is a big swamp lake behind the school buildings where there used to be grass. UNICEF tarpaulin on some of the roofs jitters in the wind.

As much as they are shocked by the loss of their belongings and their livelihood, the family is happy that they are still together. All five are still alive: Father Edegario Sr., mother Mila, and the three boys. After the typhoon hit and the storm surge completely flattened their house, the family fled to the airport where they lined up for three days and nights to find a space on a Korean military C130 plane to evacuate them from the disaster zone. “We haven’t eaten for three days”, he remembers. Even during the night they had to fall in line. “It was my first time on a plane”, tells Edegario. “It was so crowded. I felt dizzy.”

In Manila, they found shelter with Edegario’s Grandmother. When the community found out that they were typhoon survivors, they gave them food and drink and the priest cared for them. But his father and big brother struggled to find work and eventually decided to go back to Tacloban. “The DSWD (Department of Social Welfare and Development) gave us 4,500 Pesos so we could return to Tacloban. But the bus was more expensive. Fortunately the bus company let my youngest son Edmond go for free,” tells his father Edegario Sr. “Now I want to rebuild the house but I don’t even have money to buy some wood.” Even his Pedicab, a typical Filipino bicycle taxi and source of modest and hard-earned income, is destroyed. His only source of income at the moment is a small rice field that he cultivates.

Until today, the family relies on relief goods. “Since Yolanda, I haven’t eaten meat or pork”, tells Edegario. “Only canned goods and some vegetables that my mother bought on the market.” At least a student-feeding programme started just this week. “Today we had porridge and egg.” 

Even three months down from that 8 November that has changed their life forever, his family is struggling to get their feet back on the ground. At least he can now go back to school together with his little brother Edmond (9) who goes to Grade 3. His big brother Joel (21) is a teacher and started his job again just a few days ago. But among all the struggles he and his family are facing, there is one big wish that Edegario tells us: “I wish we will now be safe all the time.”
 
Edegario in his destroyed classroom
 

Edegario showing us the temporary classroom tent
 
 
 
"This was all grassland", tells me Edegario. "So is that where you played with your friends?" I ask. "No! Because there were all the snakes!"
 
 

Edegario and his family showing me where their house used to stand. The wooden pole you can see next to them is all that remains from their home.
 
 
 
Edegario and his family: Brother Edmond (9), mother Mila and father Edegario Sr., in front of their Uncle's house where they are staying now and which they were able to provisonally fix.