Jeden Tag
eröffnet wieder ein Restaurant irgendwo, jeden Tag normalisiert sich der
Verkehr wieder, aus unserer Strasse sind inzwischen fast alle Abfall- und
Trümmerberge verschwunden, es gibt sogar ab und an wieder städtischen Strom und
man kann den Generator ausschalten, man trifft Leute die darüber reden dass die
Mall wieder aufmacht, im Schulzelt steigt eine Weihnachtsparty und sogar ein
Weihnachtsbaum aus bunten Plastikflaschen aus den Trümmern ersteht vor dem
geflickten Rathaus, die ersten Katastrophendienste, vor allem die medizinischen
Katastropheneingreiftruppen, können wieder abreisen.
In Tanauan wiederum
leben die Leute in Zelten und anderen Notbehausungen, die ganze Stadt ist immer
noch eine Trümmerlandschaft, von der Schule stehen vielleicht noch drei Wände,
und eine stürzt unvermittelt ein als wir gerade zu Besuch sind. 750 Kinder
waren hier in der Schule bevor die Flutwelle die der Taifun mit sich brachte
die Nachbarschaft geradezu ausradiert hat. Heute sind es um die 200. Sieben
seien ums Leben gekommen und eine Kollegin, erklärt uns eine Lehrerin. Auch
wenn das tragisch genug wäre, man hofft geradezu dass es stimmt, und kann
angesichts dessen, was sich hier einem bietet leider doch kaum glauben, dass
die anderen 543 es alle geschafft haben und heute mit ihren Familien oder
Verwandten woanders sind.
In Rawis Anibong
sieht es immer noch ähnlich aus wie vor zwei Wochen, als ich das erste Mal dort
war. Neben der Handyladestation gibt es inzwischen ein paar kleine Kiosks mit
dem Nötigsten, und es wurden sicher schon zig Lastwagenladungen Trümmer
abtransportiert, und doch ist man hier immer noch jedes Mal fassungslos, wenn
man die Zerstörung und die Schiffe sieht, die zig Meter vom Ufer entfernt
stehen und auf denen sich die heimatlosen Einwohner notdürftig eingerichtet
haben. Ich erwische mich bei dem Gedanken, wie es ist, den ganzen Tag und vor
allem die Nacht auf schrägem Boden zu verbringen.
Vier Direktoren
unserer UNICEF National Committees sind zu Besuch, und wenn man ihre
fassungslose Reaktion sieht, wie sie zum ersten Mal die Situation mit eigenen
Augen sehen, fällt mir erst auf wie sehr ich mich vielleicht schon an diese
apokalyptischen Eindrücke gewöhnt habe. Diese Kollegen haben schon viel
gesehen, aber selbst sie wischen hier Tränen weg. „Wo soll man hier anfangen?“
fragen sie, und doch haben die Leute und die Helfer aus aller Welt schon vor
fünf Wochen angefangen...
Und dann läuft
man durch die Strasse und wildfremde Bewohner kommen auf einen zu und sagen
einfach „Thank You!“, und die Kinder im Kinderzelt oder im Schulzelt lachen und
singen und malen und schreiben. Vor ein paar Tagen habe ich um die Ecke ein
Pärchen entdeckt das auf einem Tisch auf der Strasse vor ihrem zerstörten Laden
einen geretteten Fotodrucker aufgebaut hat. Ich drucke ein paar Kopien und
bringe sie den Kindern am Astrodome mit. Die Begeisterung ist grandios, fast
surreal wenn man hinter die Kinder blickt und wie es da aussieht.
Es ist einfach
dramatisch. Und immer wenn man ein bisschen das Gefühl hat dass sich die Lage normalisiert,
bringt einen die Geschichte von der nächstbesten Person, die man anspricht,
wieder zurück auf den Boden der Tatsachen. Dieser Taifun hat überhaupt niemanden
verschont. Und wer sein Hab und Gut verloren hat, hat Glück gehabt.
No comments:
Post a Comment