Friday, December 20, 2013

Kontraste


Jeden Tag eröffnet wieder ein Restaurant irgendwo, jeden Tag normalisiert sich der Verkehr wieder, aus unserer Strasse sind inzwischen fast alle Abfall- und Trümmerberge verschwunden, es gibt sogar ab und an wieder städtischen Strom und man kann den Generator ausschalten, man trifft Leute die darüber reden dass die Mall wieder aufmacht, im Schulzelt steigt eine Weihnachtsparty und sogar ein Weihnachtsbaum aus bunten Plastikflaschen aus den Trümmern ersteht vor dem geflickten Rathaus, die ersten Katastrophendienste, vor allem die medizinischen Katastropheneingreiftruppen, können wieder abreisen.

In Tanauan wiederum leben die Leute in Zelten und anderen Notbehausungen, die ganze Stadt ist immer noch eine Trümmerlandschaft, von der Schule stehen vielleicht noch drei Wände, und eine stürzt unvermittelt ein als wir gerade zu Besuch sind. 750 Kinder waren hier in der Schule bevor die Flutwelle die der Taifun mit sich brachte die Nachbarschaft geradezu ausradiert hat. Heute sind es um die 200. Sieben seien ums Leben gekommen und eine Kollegin, erklärt uns eine Lehrerin. Auch wenn das tragisch genug wäre, man hofft geradezu dass es stimmt, und kann angesichts dessen, was sich hier einem bietet leider doch kaum glauben, dass die anderen 543 es alle geschafft haben und heute mit ihren Familien oder Verwandten woanders sind.

In Rawis Anibong sieht es immer noch ähnlich aus wie vor zwei Wochen, als ich das erste Mal dort war. Neben der Handyladestation gibt es inzwischen ein paar kleine Kiosks mit dem Nötigsten, und es wurden sicher schon zig Lastwagenladungen Trümmer abtransportiert, und doch ist man hier immer noch jedes Mal fassungslos, wenn man die Zerstörung und die Schiffe sieht, die zig Meter vom Ufer entfernt stehen und auf denen sich die heimatlosen Einwohner notdürftig eingerichtet haben. Ich erwische mich bei dem Gedanken, wie es ist, den ganzen Tag und vor allem die Nacht auf schrägem Boden zu verbringen.

Vier Direktoren unserer UNICEF National Committees sind zu Besuch, und wenn man ihre fassungslose Reaktion sieht, wie sie zum ersten Mal die Situation mit eigenen Augen sehen, fällt mir erst auf wie sehr ich mich vielleicht schon an diese apokalyptischen Eindrücke gewöhnt habe. Diese Kollegen haben schon viel gesehen, aber selbst sie wischen hier Tränen weg. „Wo soll man hier anfangen?“ fragen sie, und doch haben die Leute und die Helfer aus aller Welt schon vor fünf Wochen angefangen...

Und dann läuft man durch die Strasse und wildfremde Bewohner kommen auf einen zu und sagen einfach „Thank You!“, und die Kinder im Kinderzelt oder im Schulzelt lachen und singen und malen und schreiben. Vor ein paar Tagen habe ich um die Ecke ein Pärchen entdeckt das auf einem Tisch auf der Strasse vor ihrem zerstörten Laden einen geretteten Fotodrucker aufgebaut hat. Ich drucke ein paar Kopien und bringe sie den Kindern am Astrodome mit. Die Begeisterung ist grandios, fast surreal wenn man hinter die Kinder blickt und wie es da aussieht.

Es ist einfach dramatisch. Und immer wenn man ein bisschen das Gefühl hat dass sich die Lage normalisiert, bringt einen die Geschichte von der nächstbesten Person, die man anspricht, wieder zurück auf den Boden der Tatsachen. Dieser Taifun hat überhaupt niemanden verschont. Und wer sein Hab und Gut verloren hat, hat Glück gehabt.
 




 

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