Friday, January 31, 2014

Die Freude in den Gesichtern der Leute, die so viel durchgemacht haben

Ich bin sicher kein Freund von Celebrities und hätte schon gleich gar nicht geglaubt dass mich jemals irgendein Besuch von irgendeiner “Celebrity” auch nur ansatzweise inspirieren oder emotional berühren würde. Aber das war bis gestern. Der Goodwill Ambassador für UNICEF in den Philippinen, ein populärer oder vielleicht der populärste Sänger des Landes, war zu Besuch bei uns in Tacloban.

Es fing mit der wahrscheinlich bizarrsten Situation an, die ich bisher hier erlebt habe. Wir stoppten nur kurz am Friedhof vor der San Joaquin-Kirche in Tanauan, einer Stadt die nun wirklich von der Flutwelle dem Erdboden gleich gemacht wurde. Wenn Du hier keine Gänsehaut kriegst, kriegst Du sie nirgends. Kindergräber sind mit Spielsachen dekoriert, andere haben Fotos oder nur ein simples Holzkreuz, und auf einem steht nur ein Karton mit den elf Namen einer gesamten Familie. Er steigt also aus dem Van und macht ein paar Schritte durch diesen erschütternden Ort als ihn natürlich die ersten erkennen – in diesem Fall Mitarbeiter des UNDP „Cash for Work“-Programms. Schon die Freude in den Gesichtern dieser Menschen war bewegend. Sie gingen auf ihn zu und er fing an sich mit ihnen zu unterhalten, als plötzlich ein Mann mit einem schwarzen Sack und einer Schaufel auftaucht und keine fünf Meter von dieser Szene entfernt anfängt ein Loch zu graben. Man konnte sofort die Verwesung riechen. Ein weiteres Opfer des Taifuns fand endlich seine ewige Ruhe, und ich fragte mich wo sie ihn oder sie wohl gefunden haben, nach all der Zeit, nach fast drei Monaten. Es war surreal.

Aber das war erst der Anfang. Am Nachmittag hatten wir geplant, ihn zu einem Day Care Center für 3-4jährige zu bringen, das erst diese Woche wieder aufgemacht hatte, ebenfalls in Tanauan, und hatten und überlegt dass er dort Mütter treffen könnte (da er bei der Damenwelt besonders populär ist). Wir fahren also in Richtung des Centers und merken sofort, dass das hier nicht wie geplant laufen wird. Anstatt der üblichen 30-40 Kinder ist das Gebäude voll bis unters Dach mit Leuten, alles johlte und schrie, wir konnten ihn fast nicht vom Van in das Gebäude bringen, obwohl uns der Bürgermeister wahrscheinlich die ganze Stadtpolizei zur Unterstützung geschickt hatte. Wir hatten eigentlich geplant mit ihm von dort zweihundert Meter bis zur „Tent City“ zu laufen, einem Zeltcamp auf dem Campus der örtlichen Grundschule und High School, wo etwa 100 Familien seither in Zelten leben.  Aber das war unmöglich. Und als wir dann eben im Auto dort ankamen, waren da tausende Leute mehr. Buchstäblich die ganze Stadt war da, es war unglaublich. Der Bürgermeister hatte ein kleines Soundsystem aufgebaut und hatte gefragt ob Gary zwei oder drei Songs singen kann. Doch die spontane Kurz-Performance wurde zu einem 45-minütigen Gänsehautmoment. Diese Freude in den Gesichtern dieser Leute zu sehen, die so unglaubliches ertragen mussten, war einfach unglaublich. Für viele war es wahrscheinlich der erste Moment der Freude seit dem dunkelsten Tag ihres Lebens. Es war offensichtlich dass viele ihren Augen nicht trauten: Der grösste Superstar hier zu Besuch bei ihnen, in diesem Trümmerfeld das einmal ihre Stadt war, vor der Ruine der Schule, neben dem Trinkwassernottank, vor den Zelten der am stärksten Betroffenen, in einem UNICEF T-Shirt. Man konnte förmlich die Energie spüren, die er diesen Menschen zurückgab.

Am nächsten Tag war es erneut der Nachmittag, der einfach nur berührend war. Wir hatten einen Besuch an einer High School in Tacloban organisiert wo er eine Schülergruppe treffen würde. Aber wer dachte dass gestern verrückt war, musste das hier erleben. Der ganze Campus war zum Bersten voll mit Teenagern und die spielten schlicht und ergreifend verrückt. Schaut Euch das hier an:


Ich hoffe, Ihr habt es bis zum Ende angeschaut, und die Mädchen gesehen die eine Sekunde nach der Hysterie wieder zurück in den Unterricht gehen. Wir konnten ihn kaum in die Bibliothek schleusen und man konnte zudem kein Wort verstehen. Und dann wartete dort diese Schülergruppe auf ihn. Wir hatten ihnen die Freiheit gegeben mit ihrer Zeit mit ihm anzufangen was sie wollten, und was sie taten war ergreifend. Sie hatten untereinander drei Schüler ausgesucht, die Gary ihre Geschichte des Taifuns erzählen würden.

Aber es war so laut von der Menge draussen dass man bei all dem Geschrei kein Wort verstehen konnte. Also stellten sie einen Stuhl einfach direkt vor Gary und sie erzählten ihm ihre Geschichten direkt. Der erste Junge brach irgendwann in Tränen aus. Der zweite war nahe dran. Das Mädchen, das dann kam, schilderte wie sie fast bis zu den Schultern im Wasser stand und anfing zu beten und versprach dass wenn sie das hier überleben würde sie alles tun würde um die Schule abzuschliessen und ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Man konnte förmlich spüren wie speziell dieser Moment war. Das Geschrei und Durcheinander draussen und hier drinnen die Schüler in dieser geradezu intimen Situation mit einem Superstar, der ihre Geschichten hören will. Dann griff ein Junge eine Gitarre und sang zusammen mit einem Freund ein Lied von Gary V. für Gary V. Es war bewegend. Schliesslich fragte Gary, ob er auch ein Lied für sie singen dürfe. Er wählte ein ziemoich spirituelles und innerhalb weniger Sekunden war die Hälfte der Schüler am Weinen. Er lief von einem zum anderen, weiterhin singend, und umarmte sie. Das brachte wiederum noch mehr Schüler zu Tränen und am Ende hatten wir alle Tränen in den Augen oder auf der Backe. Selbst jetzt da ich das hier schreibe muss ich erst mal schlucken. Man konnte regelrecht spüren, was dieser Moment für jeden einzelnen dieser Jugendlichen bedeutete – und für die hunderte, die draussen ausharrten.

Ich kann es eigentlich nur wiederholen: Die Freude in den Gesichtern dieser Leute – Kinder, Teenager, Erwachsene, einfach jeder – zu sehen, dass dieser Mann kam um sie und ihre zerstörten Leben zu besuchen um ihnen Mut zuzusprechen und ihnen zuzuhören und für sie zu singen und einen Moment der Freude zu bringen, das war schlicht und ergreifend etwas das ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde. Dass ich das hier miterleben durfte, diese unvergesslichen Momente in den Gesichtern der Leute von zwei Städten, die gerade erst versuchen ihr Leben wieder irgendwie neu aufzubauen, stellt doch ziemlich viel anderes in einen anderen Zusammenhang.




 
 

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